Brennnessel

Brennnessel am Beetrand mit Vergissmeinnicht

Ich pflege eine Hassliebe zur Brennnessel. Sie ist die Pflanze, die brennt. Höllisch, teuflisch. Einerseits liebe ich ihre Nützlichkeit; ich erkenne sie bedingungslos an.

Volksname

Andererseits – wenn da nicht diese brennenden Härchen an der Blattunterseite und am Stiel wären! Je älter meine Haut wird, desto empfindlicher wird sie gegen den Nesselangriff, desto größer ist der Schaden beim unbedachten Berühren des Krautes. Rote Flatschen breiten sich auf der Haut aus, bilden höckerartige Flächen und pieken wie tausend Nadelstiche. Einer ihrer Volksnamen ist denn auch „Rotes Feuer“ oder „Feuerkraut“.

Eine der Legenden über das Kraut besagt, dass ich furchtlos bin, wenn ich fünf Blätter in die Hand nehme. Überliefert ist allerdings nicht, ob die Hand dann geschlossen wird und die Blätter ihre Nesselspitzen ausfahren, oder ob ich einfach warte, bis ein Schmetterling vorbeikommt.

Ganz früher wurde aus der Pflanzenfaser juteähnliches Garn gesponnen: Nesselstoff. Sogar in das Märchen „Die sieben Schwäne“ hat es die Brennnessel geschafft: Die Schwester musste sieben Nesselhemden stricken, um ihre Brüder vom Zauberbann zu erlösen. So verwertungsvoll sind die Fasern dieser Pflanze. Allerdings – sie kratzen auf der Haut.

Die Pflanze

Aber ach, trotz der kreativen Namensgebung und all der Beachtung, die wir der Brennnessel schenken – sie schert sich nicht um uns Menschen! Es geht ihr nur um sich selbst! Sie schützt sich vor Fressfeinde! Nun ja, ab und an nagt doch eine Raupe an ihr.

Sie kann so schön sein! Als majestätische Erscheinung überragt die hochgewachsene große Brennnessel die Sommerblumen. Kaum behängt sie sich mit zarten Blütenrispen, wird sie schon umworben von den Schmetterlingen, allen voran vom Kohlweißling. Von Juni bis Oktober schmückt sie sich rings um die oberen Blattansätze mit grau-grünen Blütengehängen.

Ja, sie ist sehr durchsetzungsfähig – und deshalb so gemein! Die Wurzeln durchwandern die Beete wie Regenwürmer und ehe ich es mitbekomme, habe ich unterhalb eines Strauches in ein junges Brennblatt gefasst. Da muss ich einfach Nutzen aus Trieb, Blatt und Wurzel ziehen, sonst brenne ich innerlich vor Wut ganz aus. Und so nutze ich seit einiger Zeit meine Kenntnisse über die guten Seiten dieses Brennkrautes. Schließlich will die Pflanze nicht mich ärgern, sondern ihre Freßfeinde. Dafür hat sie sich mit Brennhaaren auf der Unterseite der Blätter ausgestattet. Sie sind so fragil, dass sie schon bei der kleinsten Berührung abbrechen. Die für uns nicht sichtbaren Bruchstellen, sind Kanten, die in unserer Haut eindringen. Nun spielt die Nessel ihren eigentlichen Trumpf aus: Das Nesselgift aus der entstandenen Blattwunde dringt durch das Einritzen in unsere Haut. Das eben sind die Rötungen, Schwellungen und im schlimmen Fall sogar Quaddeln auf unserer Haut.

Bild von Brennnesseln
Brennnessel wuchernd

Ihre Inhaltsstoffe

Wir kennen Brennnesselverarbeitungen in der Kosmetik als Haarwasser und als Tee in der Apotheke. Die Inhaltsstoffe des Krautes sind immens. Die Brennnessel hat Kieselsäure, Gerbsäure, Flavonoide, Chlorophyll und andere Heilstoffe, Nesselgift auch. Sie gibt uns Vitamin A, E und C. Außerdem besitzt sie das blutbildende Mineral Eisen, aber auch Kalzium, Magnesium und andere Mineralstoffe. Und so können wir das Kraut wunderbar für die Frühjahrskur einsetzen, denn die Brennnessel nimmt im Körper eine Blutreinigung vor. Besonders im Frühjahr brauchen wir die Ganzkörperentgiftung. Wir brauchen die Spülung des Harnsystems. Wir brauchen die Kieselsäure für unsere Fingernägel und für die Haare. Also trinken wir, essen wir, besprühen wir uns mit Wasser aus dem Kraut und legen wir den Brei des Krautes auf die Haut auf. Auch als Eiweißlieferant ist Brennnesselkraut wertgleich zu Hülsenfrüchten einsetzbar.

Und schließlich senken wir mit dem Vertilgen der Nessel den Blutzucker.

Jedoch, Menschen mit Herzbeschwerden oder Nierenleiden sollen auf das Kraut verzichten!

Pflanzenpflege

Wenn ich mich dann mal wieder so richtig über das Brennende geärgert habe, schneide ich das Kraut büschelweise einfach ab. Das setzt allerdings den Löwenmut voraus, den ich mir in diesem Garten antrainiert habe: Ich lasse das Kraut an bestimmten Stellen wachsen. Es ist so anspruchslos, sitzt zwischen wilden Rosen auf kargem Boden, bekommt keine Pflege, erst recht keinen Dünger. Nur die Ernte, die muss ich selbst vornehmen. Immer mal wieder ziehe ich an unerwünschten Stellen die Wurzeln der gut vernetzten Nesselfamilie aus der Erde. Bevor ich das tue, schneide ich immer die jungen Triebspitzen ab und verwende sie zum Nutzen meiner Familie.

Pflanzenverarbeitung

In alten Zeiten wurde die keimtötende Wirkung der Blätter genutzt. Die Vorfahren wickelten ihre Nahrung zum Aufbewahren in die Blätter ein. Nicht unähnlich wie man es heute noch mit Weinblättern oder Bananenblättern tut. Ich verwende das Kraut zum einen für den äußeren Gebrauch. Brennnesselsud soll es werden. Nein, nein, keine Jauche, die bleibt draußen. Den Sud aber gieße ich in eine Sprühflasche und sprühe ihn auf meine trockene, reizbare Kopfhaut. Auch in Apfelessig eingelegt ergibt das Kraut nach der Haarwäsche eine wertvolle Spülung.

Irgendwo habe ich gelesen und gleich ausprobiert, dass ein Brei aus den Blättern durchblutungsfördernd sein soll. Also rieb ich mir mit der Masse anweisungsgemäß die Schläfen ein. Zumindest stockte das Blut nicht, sondern floss weiter.

Zum anderen profitieren wir immens von der inneren Wirkung der Inhaltsstoffe dieser Nessel. Wer nicht in den Wald zum Sammeln gehen kann, und wer keine Brennnessel als hippe Zimmerpflanze wachsen lassen will, kann sich immer noch Saft kaufen. Es gibt Spezialanbieter, die Presssaft von Wildkräutern anbieten.

Küchenkraut

Bild einer Brennnessel
Brennnessel blühend

In der Küche hat jeder von uns seine eigenen Spezialrezepte. Ich mische immer ein wenig von den Wildkräutern zu den „normalen“ Zutaten. Vor der Verarbeitung rolle ich den frischen Blättern mit dem Nudelholz die Nesselhaare weg. Auch ein kurzes Blanchieren, also Überbrühen, hilft. Den vielgepriesenen Brennnesselspinat köchele ich mit echtem Spinat und nur einer Handvoll Brennnesseln. Das Omelett bereite ich mit zerhackten Brennnesseln plus Schnittlauch oder Petersilie oder wonach gerade der Gaumen verlangt. Ja, auch Brennnessel-Ravioli geht, oder Brennnesselsuppe, oder die Verarbeitung als Kräuterbeigabe im Quark. Nun ja, man kann, man muss ja nicht auf den Wildkräuter-Absolutismus schwören.

Zur Verarbeitung nehme nur die jungen Blätter. In ihnen ist noch nicht die Oxalsäure der ausgereiften älteren Blätter entwickelt. Den Tee aus dem frischen oder getrockneten Kraut mische ich mit Pfefferminze oder Melisse oder Ingwer, je nach Tagesform; damit wird der Heugeschmack aufgepeppt. Zitronenabrieb bringt Frische ins Getränk.

Wenn ich die zarten Blütenrispen erwähne, dann mit dem Grund, dass sich daraus Samen bilden. Diese Samen haben einen hohen Gesundheitswert; sie enthalten Vitamin E, pflanzliche Öle und Linolsäure. Diese Inhaltsstoffe helfen uns, die Sehkraft zu erhalten und unsere Haut zu beruhigen. Ihr Inhaltsstoff Acetylcholin sorgt für Muskelbeweglichkeit. Dies hilft gegen Rheuma. Man sagt, dass das Kraut uns seinen Samen auch gegen Arthrose reifen lässt. Man kann ihn anrösten und über Salat und Müsli streuen. Manchmal erinnere ich mich auch an die Experimentierfreudigkeit meiner Schwiegermutter und backe die kleinen Rispen im Teig aus. Lange vor unseren Küchenkünsten aber gab es Ovid (43 v. Chr.). Der meinte, dass die Samen der Pflanze Liebeskraft brächten. Da lag er nicht ganz daneben, denn die Samen tragen das sogenannte Fruchtbarkeitsvitamin E in sich. Sie enthalten vitalisierende hormonähnliche Inhaltsstoffe und stärken bei Erschöpfung und Genesung.

Gartennutzen

Brennnessel im Beet mit Samen
Brennnessel im Beet mit Samen

Kräuter mit ätherischen Ölen profitieren durch die Nachbarschaft mit Brennnesseln. Wie ein liebender Partner regt die Brennnessel das Beste im Nachbarkraut an. Der Gehalt an ätherischem Öl steigt.

Für mich als Gärtnerin ist die Nutzung des Sudes aus den Blättern auch als Jauche oder Brühe für meine Sträucher und Blumen wichtig. Den Pflanzen kommen dabei die Inhaltsstoffe zugute, die auch wir schätzen: Kalium, Stickstoff und Kieselsäure. Ich schneide zwei Handvoll des Krautes kurz am Boden ab, zerteile es in grobe Stücke und lege alles in einen 10 Liter Eimer oder in ein Gefäß. Dann gieße ich mit Wasser auf. Nun habe ich zwei Möglichkeiten: entweder gieße ich nach 24 Stunden die Brühe unverdünnt an den Pflanzenfuß, oder nach zwei Wochen Reife und Stinken verdünne ich die Jauche 1:10 mit Wasser und gieße damit die Pflanzen um ihren Fuß. Mit einer Sprühflasche sprühe ich bei starkem Läusebefall auch direkt.

Abrunden möchte ich das Profil des Krautes mit der Gründonnerstags-Legende: Brennnesselgemüse am Gründonnerstag gegessen, lässt alle finanzielle Not des Jahres vergessen.

Na dann! Bei so viel Güte in einer einzigen Pflanze kommt dann auch bei mir verständnisvolle Liebe auf.

  • Frisches oder getrocknetes Kraut entschlackt als Brennnesseltee und spült die Harnwege.
  • In der Küche als Blattgemüse wird es wie – oder auch mit – Spinat zubereitet.
  • Die Samen können im Müsli oder zum Würzen verwendet werden.
  • Als Sud zur Haarspülung
  • Im Garten als Jaucheansatz

Wirkung

  • antibakteriell

Ernte

  • laufend

Verarbeitung

  • Garten
  • Öl
  • Tee
  • Tinktur

Anwendung

  • Heilen
  • Kochen
  • Kosmetik

Rezepte