Der Doldenblütler Liebstöckel ist eine „officinale“, eine anerkannte Heilpflanze. Spätestens seit Karl des Großen (747-841) wurde Liebstöckel anweisungsgemäß in allen kaiserlichen Gartenanlagen angebaut. Was für eine weise Entscheidung!
Gartennutzen
Dieses Kraut ist mehrjährig. Sogar über 10 Jahre alt kann es werden. Es bleibt uns also über einen guten Zeitraum als Küchenkraut, als Heilpflanze und als Schmuckstück im Garten erhalten. Als aufragende Hintergrundpflanze ist das blühende Kraut im Juli-August attraktiv. Allerdings will es Platz und nimmt gern einen halben Meter Abstand zu anderen Pflanzen.
Am Beetrand oder sogar innerhalb der Pflanzung hilft mir Liebstöckel Schnecken fernzuhalten. Sein intensiver Duft wirkt auf die Schleimer abschreckend.
Auch im Balkon können wir uns vom Liebstöckel bedienen, müssen dann jedoch für einen tiefgründigen Kübel und für reichlich Wasser sorgen.
Im Winter vermisse ich ihn im Beet. Er zieht sich zum Winterschlaf zurück. Zieht der Frühling ins Land, zieht all meine Gram über seine Untreue vondannen. Sehnlichst erwarte ich dann die zarten frischgrünen Sprosse. Als Unterstützung bekommt die sprießende Pflanze umgehend organischen Langzeitdünger. Und weil nichts umsonst ist, belohne ich mich mit seinen ersten drei saftig grünen Blättchen für den Salat.
Volksname des Liebstöckels
Wegen des Geruchs und des ähnlichen Aussehens wird Liebstöckel auch „falscher Sellerie“ genannt.
Das Interesse an der Pflanze gilt dem Ursprung des Namens: „Lieb“ und „Stöckel“. In einigen Regionen wird die Pflanze auch „Luststöckl“ genannt. Wie das?
Der damalige Einsatz des Krautes widmete sich denn auch dem Ergebnis der Liebe: Das Kraut fördert die Wehen und lindert Geburtsschmerzen. Daher gilt auch heute noch: Während der Schwangerschaft und in der Stillzeit soll kein Liebstöckel verwendet werden.
Und warum wird Liebstöckel zum Liebesstock? Die hormonelle Wirkung zur Förderung der Menstruation kann nicht namensgebend sein. Die leicht aphrodisierende Wirkung jedoch schon. Bereits im Altertum stellte Dioskurides aus der Kompaktheit der Wirkungen die Anregung der Libido heraus. Er meinte, dass die Verwendung von Liebstöckel zu „unkeuschen Gelüsten“ verhelfe.
Jedoch, jedoch, – der Ursprung des Namens kann so simpel sein: Der botanische Name „Levisticum“ ist aus „Ligusticum“ entstanden und das heißt simpel „ligurisch“[1]. Die Liguren sind die oberitalienische Landschaft, die als Ursprungsgegend angesehen wurde. Also ist Liebstöckel das ligurische Kraut. Aus dessen Wurzel wird entweder verballhornt oder signaturenlehremäßig ein Stöckl. Dieser weist wirkungsmäßig eine leichte Tendenz zur Lustförderung auf.
Nutzen der Pflanze
Der Winter, ja, der macht das Baden in der Wanne mit Liebstöckelzusatz interessant. Dafür muss ich die Wurzel zerkleinern und den Sud ins Badewasser geben. Was ich empfehle, muss ich auch ausprobieren! Allerdings folge ich damit nicht dem mittelalterlichen Brauch. Nein, das Thema Heirat ist für mich abgehakt. Gemäß dem Brauch sollten die unverheirateten Töchter im Liebstöckelsud baden. Der Zusatz von Liebstöckel diente dabei der Schönheit.
Gewiß ist allerdings der Effekt, dass ein Liebstöckelbad gegen Erschöpfung und Gliederschmerzen hilft.
Liebstöckel nützt auch gegen Gicht, was sein Volksname „Gichtwurz“ oder „Gichtstock“ sagt. Es unterstützt uns bei Nervenschwäche bzw. Nervosität, was wir vom Namen „Nervenkraut“ oder „Nervenkräutel“ herleiten können.
Pflanzenpflege
Er hat in meinem Garten nicht den optimalen Standort. Bei meiner Mutter stand er am Beetrand und wurde anderthalb Meter hoch. Aber letztendlich reichen die Blätter meiner rund 100 cm hohen Pflanze des Liebstöckels, um eine kräftige Brühe geschmacklich abzurunden.
Wie alle Kräuter, ist auch Liebstöckel für mich eine wunderschöne Staude. Immer mal wieder berühre ich sie, schnuppere dann an der Hand und gehe mit meinem Duftgedächtnis in die schönen Zeiten der gemeinsamen Familienspeisung zurück.
Bekommt er einen sonnigen Standort und einen tiefgründigen Boden sowie Platz zur Ausdehnung wird Liebstöckel bis zu 1,50 Meter, sogar 2,00 Meter hoch, und braucht buschige 1,00 Meter im Durchmesser.
Seine Wurzeln hat er optimal ausgebildet, so dass sie einen guten Wasserspeicher bilden. Auf meine Wassergaben ist er nur in den trockenen Sommermonaten angewiesen. Geht man nach der Signaturenlehre, ist dies der Hinweis, dass Liebstöckel gegen Wassersucht hilft. Hildegard von Bingen, die Äbtissin mit Kräuterweisheit, sah in dem würzigen Kraut heilende Kräfte gegen Wassersucht, und daraus folgend eine Abhilfe bei Lungenschmerzen.
Küchenkraut
Meine Schwiegermutter und viele andere mit ihr nannten Liebstöckel „Maggikraut“. Die bekannte Speisewürze ist zwar nicht der Extrakt dieser Pflanze, aber wir könnten mit Liebstöckel, Petersilie, Sojasauce, Salz und Zucker eine Würzsoße mit „Maggi“-Geschmack selbst herstellen.
Die Blüten der Doppeldolden könnte ich auch einfach für meine emsigen Insekten stehen lassen, jedoch – einmal denke ich nur an mich und meine Familie: Denn ich hab es auf die Blätter abgesehen.
Damit die Blätter nicht bitter schmecken, ernte ich vor der Blüte oder nach dem Rückschnitt, wenn er noch einmal austreibt. Sie können bis zum Spätherbst geerntet werden. Einen Vorrat friere ich portionsweise in Gefrierbeuteln ein. Auch einen Trockenvorrat lege ich mir mit ein paar Bündeln von Stiel und Blatt für den Winter an.
Die frischen Blätter mit ihren intensiv-würzigem Geschmack passen gut in herzhafte Suppen und Eintöpfe. Setze ich eine Brühe an, kommt auf jeden Fall neben Suppengrün ein Zweig Liebstöckel hinein. Den Spruch „Lieber eine klare Brühe als ein reines Gewissen“ folge ich damit nur in abgewandelter Form. Ich meine, dass ich mit dieser Brühe reinen Gewissens nahrhafte Suppen und Soßen vervollkommnen kann.
Auch zu Gerichten mit Wildpilzen und Tomatengerichten eignet sich Liebstöckel. Der Geschmack ist sellerieähnlich und kräftig würzig. Schon ein paar Blätter reichen dafür.
Nach der Blüte im Juli, bildet er Samenstände. Will ich sie ernten, kann ich die Samen an Käse geben, dem Brot hinzufügen oder einen Likör damit aromatisieren.
Meine herzhafte Würze für Salate oder gekochte Eier setze ich mit Kräuteressig vom Liebstöckel an.
Inhaltsstoffe vom Liebstöckel
Liebstöckel beschert uns als Inhaltsstoffe hauptsächlich ätherische Öle und Cumarine. Aber auch Angelikasäure, Apiol, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Kampfer, Carvon und andere Wirkstoffe sind vorhanden.
Apfelsäure, Harze, Gummi und andere Inhaltsstoffe sind harntreibend und wirken bei Blasenentzündungen und Nierenleiden. Bei Erkrankungen der ableitenden Harnwege können wir Liebstöckel zur Durchspülungstherapie nutzen.
Für die Heilkundigen und für die Medizin ist die Wurzel das Objekt der Begierde. Sie ist ab dem 3. Jahr erntereif. Was allgemein „Wurzel“ genannt wird, ist der unterirdische Spross und ein Rhizom. Darin sind die ätherischen Öle konzentriert, vor allem Alkylphthalide. Dies ist für den typischen „Maggi“-Geruch verantwortlich.
Die Wirkstoffe sind appetitanregend und verdauungsfördernd, auch krampflösende. Sie helfen bei Menstruationskrämpfen, Magenkrämpfen und bei Sodbrennen. Ätherische Öle in der Wurzel betragen zu 35% Ligustilid und Terpineo.
Der Gebrauch von Liebstöckel wirkt unterstützend bei Herzschwäche, Rheuma, Gicht, Wassersucht, sogar bei Nervenschwäche. Weitere heilende Wirkungen sind bekannt.
Nierenleidende sollen Vorsicht walten lassen und ihren Arzt vor der Verwendung des Krautes befragen.
- Die Samen aromatisieren Likör und Süßwaren.
- Likörwein aus Samenzusatz oder aus Liebstöckeltrieben wird bei Verdauungsbeschwerden vor den Mahlzeiten getrunken.
- Kaltauszug/Tee aus Wurzeln, der harntreibend wirkt, soll morgens und abends getrunken werden, oder aber als reinigender Tee für die Frühjahrskur.
- Extrakt/Tinktur aus Samen, Wurzeln und Blättern hilft gegen Blähungen. Als Nierenmittel soll es nicht am Abend eingenommen werden.
- Suppengewürz aus Blättern ist wohldosiert zu verwenden, da schon einige Blätter für einen intensiven Geschmack sorgen. Gleichzeitig fördert das Kraut die Verdauung.
- Als wassertreibendes Kraut (Diuretikum) und aphrodisierendes (Geschlechtstrieb förderndes) Kraut ist ein Tee im Bedarfsfall empfehlenswert.
- Die Wurzel kann als Suppengewürz verwendet werden.
- Blätter können eingefroren werden; getrocknet werden können sowohl die Wurzel als auch die Blätter.
- Wurzelteile werden als Badezusatz gegen Gliederschmerzen verwendet.
- Die ätherischen Öle der Wurzel werden Seifen, Cremes, Parfüm und Tabakwaren zugesetzt.
- Für Gärtner interessant, ist die Wirkung gegen Schädlinge. In Beete oder an den Rand von Stauden gesetzt, unterstützt Liebstöckel den Kampf gegen Schädlingsbefall.
- Tinktur aus Liebstöckel hilft bei Akne und Pickel.
[1] Pflanzen helfen heilen, VEB Verlag Volk und Gesundheit Berlin, Börngen, 1970, Seite 77